Am 9. Juni wird ein neues EU-Parlament mit 720 Mitgliedern gewählt. 20 davon werden aus Österreich kommen. Der Katholische Familienverband fragte für seine Mitgliederzeitung "ehe und familien" die fünf Spitzenkandidat&innen der im EU Parlament vertretenen Parteien zu Themen wie Leihmutterschaft, Kinderbetreuung oder sinkende Geburtenrate. Hier die ungekürzten Antworten.
ÖVP,
Reinhold Lopatka
Katholischer Familienverband: Fragen Spitzenkandidat/innen EU Wahl
Würden Sie sich mehr Zuständigkeit der EU in familienpolitischen Fragen wünschen?
Ich bin der Meinung, dass Familienrecht in der Hand der Mitgliedstaaten bleiben soll, denn das Familienleben sollte auch einer bürgernäheren Ebene gefördert werden. Zeitgleich setzen wir uns als Europäische Volkspartei dafür ein, dass in den Mitgliedstaaten bestmögliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, um Familien bestmöglich zu unterstützen. Abschließend möchte ich auch festhalten, dass Familienpolitik keine Zuständigkeit der EU ist. Daran möchten wir auch festhalten.
Wo sehen Sie familienpolitischen Handlungsbedarf auf EU Ebene?
Wir brauchen ein sicheres Europa und ein Europa mit den besten Bedingungen für das Gründen einer Familie, das Arbeitsplätze schafft und Jugend, Frauen und Familien stärkt.
Wir müssen daher alle daran arbeiten, dass Familie und Beruf besser vereinbar ist, dass Familiengründungen verstärkt gefördert werden und vor allem junge Familien bestmöglich unterstützt werden.
Das Barcelona Ziel – bis 2030 50 Prozent der unter 3jährigen im Kindergarten - ist umstritten. Ist das eine sinnvolle Kennzahl?
Es ist gut, wenn in diesem Bereich europaweit Fortschritte gemacht werden. Zentral ist es, dass jede Familie ihr eigenes individuelles Lebensmodell im Sinne der Wahlfreiheit wählen kann. Wichtig ist, dass hier Maßnahmen auf Mitgliedstaatenebene entsprechende Maßnahmen gesetzt werden. In Österreich passiert hier schon einiges und der Bundeskanzler hat auch in seinem Österreichplan weitere Schritte bis 2030 skizziert.
Sind Sie für ein EU-weites Verbot der Leihmutterschaft?
Fortpflanzungsmedizin fällt nicht in die Zuständigkeit der Europäischen Union. Ich möchte aber festhalten, dass die Delegation der Volkspartei im Europaparlament entsprechende Anträge ablehnt und sich die Volkspartei klar für ein europaweites Verbot der Leihmutterschaft ausspricht.
Rückläufige Geburtenzahlen sind in ganz Europa evident – mit welchen familienpolitischen Maßnahmen könnte diese demographische Entwicklung positiv beeinflusst werden?
Wir brauchen in allen EU-Mitgliedstaaten vor allem für junge Bürgerinnen und Bürger Zukunftsperspektiven, um Familiengründungen möglichst attraktiv zu machen Wir arbeiten daher für eine familienfreundliche Gesellschaft mit bestmöglichen Rahmenbedingungen für Familien, in Bildung und Beruf und im Wirtschafts- und Arbeitsleben. Österreich liegt bereits bei den Familienleistungen im absoluten Spitzenfeld. Ausreichende, qualitätsvolle Kinderbildung und -betreuung sind weiterhin für Familien und für Frauen von großer Bedeutung. Der Ausbau ist dazu ein Schlüsselfaktor für die Wahlfreiheit und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, insbesondere für Mütter.
SPÖ,
Andreas Schieder
Würden Sie sich mehr Zuständigkeit der EU in familienpolitischen Fragen wünschen?
Familienpolitik liegt in erster Linie in Zuständigkeit der Mitgliedsländer. Entsprechend groß ist die Bandbreite in Europa. In allen EU-Staaten zielt die Familienpolitik jedoch auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie beste Chancen für alle Kinder ab. Diese Zielsetzungen sollten jedenfalls gestärkt werden. Großes Potential hat der Fokus auf Partnerschaftliche Aufteilung der Care-Arbeit (Halbe-Halbe) und Gleichstellung. Ein verstärkter Austausch unter den Mitgliedsländern ist jedenfalls sinnvoll, um best-practice Beispiele, etwa die Vereinbarkeitspolitik der nordischen Länder, vor den Vorhang zu holen.
Wo sehen Sie familienpolitischen Handlungsbedarf auf EU Ebene?
Familienpolitische Handlungsbedarf auf EU-Ebene liegt aktuell im Ausbau des „Care Deals“ um die partnerschaftliche Aufteilung von Care-Arbeit zu fördern, sowie in Bildungsangeboten für Kinder / Jugendliche bzgl. "sexuality and relationship education“. Auch die Umsetzung der EU Kindergarantie ist ein solcher Schwerpunkt. Ziel ist es, die Kinderarmut in der EU bis 2030 zu halbieren. Maßnahmen zur Forcierung gleicher Chancen am Arbeitsmarkt für Frauen und Männer sind ebenfalls ein wichtiger Schlüssel für die Stärkung von Partnerschaftlichkeit und Vereinbarkeit.
Das Barcelona Ziel – bis 2030 50 Prozent der unter 3jährigen im Kindergarten - ist umstritten. Ist das eine sinnvolle Kennzahl?
Referenzgrößen und Zielvorgaben wie das Barcelona-Ziel sind jedenfalls sinnvolle Maßnahmen um Vereinbarkeit von Beruf und Familie anzustreben. Der Ausbau von Infrastruktur für die Kinderbetreuung wird somit von allen EU-Staaten als wesentlich anerkannt, Vergleichsgrößen werden hergestellt. Da die Bundesregierung die Zielvorgabe für Österreich heruntergehandelt hat, bleibt die Zielvorgabe für Kinder unter 3 Jahren derzeit bei 29,1 %.
Sind Sie für ein EU-weites Verbot der Leihmutterschaft?
Die SPÖ spricht sich generell gegen Leihmutterschaft aus und verweist auf die Gefahren von kommerzieller Ausbeutung durch Leihmutterschaft. Leihmutterschaft ist in Österreich aus guten Gründen verboten. Allfällige Initiativen auf EU Ebene sind zu begrüßen.
Rückläufige Geburtenzahlen sind in ganz Europa evident – mit welchen familienpolitischen Maßnahmen könnte diese demographische Entwicklung positiv beeinflusst werden?
Auch hier ist der Schlüssel Vereinbarkeit, Halbe-Halbe sowie elementare Kinderbildung in höchster Qualität, die leistbar und mit Beruf vereinbar ist. Dafür notwendig sind nachhaltige öffentliche Investitionen in öffentliche Dienstleistungen für Kinder und Familien durch Mitgliedstaaten. Junge Paare sollen Job und Familie mit Zuversicht unter einen Hut bringen können.
FPÖ,
Harald Vilimsky
Würden Sie sich mehr Zuständigkeit der EU in familienpolitischen Fragen wünschen?
Ein klares Nein. Die Einmischung aus Brüssel in die Themenbereiche Familie und Soziales sind absolut inakzeptabel und klar EU-rechtswidrig, zumindest, wenn man sich auf die aktuellen EU-Verträge beruft. Eine widersprechende Rechtslage hat aber die regulierungswütigen Beamten der EUKommission noch nie davon abgehalten, alle denkbaren Aspekte und Bereiche des täglichen Lebens unserer Bürger lenken zu wollen. Zudem finden wir es sehr befremdlich, dass die traditionelle Familie auf europapolitischer Ebene immer wieder Angriffen von Links ausgesetzt ist. Umso mehr befremdlich ist es, dass es oft Teile der Europäischen Volkspartei ist, zu denen auch die ÖVP zählt, die diesen linksideologischen Irrsinn in vielen Bereichen mittragen und genau auch diese supranationale Einmischung auch in familienpolitischen Fragen forcieren. Als FPÖ sagen wir, dass die traditionelle Familie ein Ort der Geborgenheit, des Zusammenhaltes und Stärke eines jeden Bürgers ist, welche man schützen sollte und nicht irgendwelchen linken Regulativen aus Brüssel preisgeben sollte.
Wo sehen Sie familienpolitischen Handlungsbedarf auf EU Ebene?
Wir sehen für die EU absolut keinen Handlungsbedarf auch nur irgendeinen Bereich der Familienpolitik mitzugestalten. Die EU-Institutionen fördern die Idee einer „modernen“ Familienpolitik, deren Auswüchse z.B. das Streichen des Wortes „Mutter“ (stattdessen „entbindender Elternteil“) und die Herabwürdigung des Instituts der Ehe, als Verbindung zwischen Mann und Frau. Wohin die Reise gehen wird, zeigen unzählige EU-Webseiten anderer deutschsprachiger Länder, so zum Beispiel Luxemburg zum Thema „Gleichstellungspaket“ vom 7. Dezember 2022, in welchem über die Anerkennung von „Elternschaft“ gesprochen wird, das stark von der EU-LGBTIQ-Politik mitgestaltet wird.
Das Barcelona Ziel – bis 2030 50 Prozent der unter 3jährigen im Kindergarten - ist umstritten. Ist das eine sinnvolle Kennzahl?
Nein. Die zunehmende Institutionalisierung unserer Kinder ist ein ernstes Problem. Die tschechische Vizepräsidentin der EU-Kommission - Frau Vera Jourova - hat erst Ende Februar die Finnen dafür gelobt, dass man bereits im Kindergarten damit beginnt, Medienkompetenzen zu unterrichten. Frau Jourova ist die für „EU Werte“ zuständige EU-Kommissarin und auf sie geht auch der LGBTIQ Aktionsplan der EU zurück. Das ist nur eines von vielen Beispielen die eher dafür sprechen, Kinder so spät und kurz wie möglich in die staatlichen Institutionen zu integrieren, und stattdessen auf die eigenen Familienstrukturen zurückzugreifen und zu stärken.
Sind Sie für ein EU-weites Verbot der Leihmutterschaft?
Wir sind absolut gegen Leihmutterschaften. Jedoch wollen wir, dass die EU keinerlei Regelungen in diesem Bereich tätigt - vor allem da es sich um einen souveränen Kompetenzbereich des einzelnen Mitgliedsstaates handelt. Leider stellen sich hier aber anerkennungsrechtliche Probleme - Stichwort EU-Elternschaftszertifikat: Österreich könnte verpflichtet werden andersrechtliche Entscheidungen anderer Mitgliedstaaten zu akzeptieren. Einzig die freiheitlichen EU-Abgeordneten stimmten in Brüssel gegen diesen Familien- und frauenpolitischen Wahnsinn. Ich erwarte mir von der zuständigen ÖVP-Frauenministerin Raab klare Worte an ihre Parteikollegen in Brüssel.
Rückläufige Geburtenzahlen sind in ganz Europa evident – mit welchen familienpolitischen Maßnahmen könnte diese demographische Entwicklung positiv beeinflusst werden?
Man darf nicht vergessen, dass seit Jahren ein Krieg gegen die traditionelle Familie, gerade durch die EU, geführt wird. Die Linke hat hier seit Jahren einen sehr schlechten Einfluss ausgeübt und hat es Geschafft Werte zu vermitteln, die z.B. mit dem Schutz von 31 neuen Geschlechtern, der Einführung einer europaweiten gleichgeschlechtlichen Ehe oder monatelanger LGBTIQ- Jubelkundgebungen einhergehen. Natürlich sind die jungen Menschen dadurch verunsichert und gerade in sozial höher gestellten Schichten ist es schlichtweg nicht „schick“ Kinder zu bekommen. Anders ist das bei Müttern, die muslimischen Glaubens sind. So liegt die Geburtenrate bei Müttern muslimischen Glaubens im europäischen Durchschnitt bei 2,6 Kindern, bei nicht-Muslimen rund 1,6 Kinder. Dahingehend sieht man, dass vor allem Muslime mit diesen neuen EU-Werten gar nichts anfangen können und sich nach wie vor einer starken Familienstruktur widmen, welches ihnen auch der Glaube vorgibt. So sollte auch die katholische Kirche in diesen Belangen viel aktiver und vor allem unterstützender in ihrem Glaubensumfeld wirken. Zudem muss die Politik dafür sorgen mehr und vor allem deutlich bessere Anreize für werdende Eltern zu schaffen, wie ein familienfreundliches Steuermodell.
Die Grüne,
Lena Schilling
Würden Sie sich mehr Zuständigkeit der EU in familienpolitischen Fragen wünschen?
Die Kompetenzverteilung zwischen der EU und ihren Mitgliedsstaaten ist vielschichtig. Eine Kompetenzänderung müsste man sich deshalb genau anschauen. Da Familienpolitik ein sehr breites Feld, von der Kinderbetreuung, über Fragen der Vereinbarkeit, bis hin zu den Familienleistungen ist, macht es Sinn, dass viele Kompetenzen von den Mitgliedsstaaten selber geregelt werden, um den jeweiligen Rahmenbedingungen der einzelnen Mitgliedsstaaten gerecht zu werden. Weitere EU-Zuständigkeiten sollten jedoch in dem Bereich geschaffen werden, in dem es um das Bekenntnis zu Gleichberechtigung, zur gerechten Aufteilung der Care Arbeit oder um Kinderarmutsbekämpfung geht. Die EU, die auch eine Wertegemeinschaft ist, soll bei diesen wichtigen Themen mehr Vorgaben geben können, um gleiche Standards in allen Mitgliedstaaten zu fördern und Väterbeteiligung voranzutreiben.
Wo sehen Sie familienpolitischen Handlungsbedarf auf EU Ebene?
Die Umsetzung der Vereinbarkeitsrichtlinie hat gezeigt, dass es in der EU einige Unterschiede bei den Vorgaben rund um das Thema Vereinbarkeit gibt. Aus Grüner Sicht könnte man hier noch weitere EU-Maßnahmen und verbindliche Vorgaben setzen, um die Väterbeteiligung zu stärken. Natürlich gibt es durch das Subsidiaritätsprinzip auch viele Themen, für die die Mitgliedsstaaten nationalstaatlich zuständig sind. Die gleichberechtigte Aufteilung von Care-Arbeit, also zum Beispiel Kinderbetreuung- und erziehung oder aber auch die Pflege von Familienangehörigen, müsste jedoch auch auf EU-Ebene noch stärker priorisiert werden. Verbindliche Karenzanteile für Väter oder stärkere finanzielle Anreize könnten die Väterbeteiligung, wie skandinavische Länder vorgezeigt haben, wesentlich steigern. Für ein Kind sind grundsätzlich beide Elternteile verantwortlich.
Auch im Bereich der Kinderarmutsbekämpfung könnten wir uns EU Initiativen rund um die Einführung einer Kindergrundsicherung vorstellen.
Das Barcelona Ziel – bis 2030 50 Prozent der unter 3jährigen im Kindergarten - ist umstritten. Ist das eine sinnvolle Kennzahl?
Ja, wir finden das Barcelona-Ziel jedenfalls sinnvoll. Die Grünen setzen sich bereits seit vielen Jahren für einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz ab dem 1. Lebensjahr ein. Denn der Grundstein für einen gelungenen Bildungsweg wird bereits im Kleinkindalter, also im Kindergarten, gelegt. Mit der gestarteten Ausbauoffensive wollen wir die Bildungschancen von Kindern erhöhen und ihre Eltern entlasten. Das ist auch die Voraussetzung für eine gleichberechtige Elternschaft.
Sind Sie für ein EU-weites Verbot der Leihmutterschaft?
Wir können Leihmutterschaft weder aus Sicht des Kindes noch aus Sicht der Frauen, die ihren Körper gegen Geld zur Verfügung stellen, gutheißen. Wir lehnen daher grundsätzlich alle Formen der Leihmutterschaft ab. Kinder, die über Leihmutterschaft entstanden sind, dürfen dabei jedoch nicht die Leidtragenden sein und sollen daher in Österreich keine rechtlichen Nachteile erfahren. Leihmutterschaft ist in Österreich verboten. Ein europaweites Verbot ist aufgrund der mangelnden unionsrechtlichen Kompetenz schwer umzusetzen.
Rückläufige Geburtenzahlen sind in ganz Europa evident – mit welchen familienpolitischen Maßnahmen könnte diese demographische Entwicklung positiv beeinflusst werden?
Wir Grüne wollen niemandem ein bestimmtes Lebensmodell vorschreiben und finden, es ist völlig in Ordnung und eine höchstpersönliche Entscheidung, wenn sich Frauen bewusst gegen Kinder entscheiden.
Wir leben in unsicheren Zeiten. Die Klimakrise und der Krieg in Europa belasten die Menschen, Unsicherheiten und Unruhen nehmen zu. Das beeinflusst uns alle, vor allem unser Sicherheitsgefühl und die Zukunftsperspektiven. Auch der finanzielle Aspekt hat große Bedeutung: Die Kinderkostenstudie, die auf Initiative des Grünen Sozialministeriums durchgeführt wurde, hat gezeigt, wo der Schuh drückt und dass es wesentlich mehr Kostet, Kinder zu haben und gut zu versorgen, als wir bisher angenommen haben.
Darum wollen wir Familie unterstützen, wo es nur geht. Durch die Erhöhung des Kindermehrbetrags, sowie die Valorisierung der Familienleistungen haben wir sozialpolitische Meilensteine gesetzt, von denen Familien langfristig profitieren werden.
Wichtig ist außerdem, qualitätsvolle Kinderbetreuung zu gewährleisten. Nur dann kann sichergestellt, werden, dass Frauen nicht vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen werden, oder in der Teilzeitfalle landen und in letzter Konsequenz von Altersarmut bedroht sind. Wir haben immer noch Dörfer und Gemeinden in Österreich mit Öffnungszeiten, die fernab jeder Arbeits- und Lebensrealität sind. Wir dürfen Frauen und Familien nicht länger im Stich lassen. Es muss endlich der Ausbauturbo gezündet werden.
Wenn wir in diesem Sinne die Rahmenbedingungen gewährleisten und gut ausgestalten, dann können wir Menschen, die eine Familie gründen wollen, in ihrer Entscheidung bestmöglich unterstützen.
Neos,
Helmut Brandstätter
Würden Sie sich mehr Zuständigkeit der EU in familienpolitischen Fragen wünschen?
Die EU muss sich in der nächsten Legislaturperiode vor allem um die zentralen Herausforderungen in den Bereichen Sicherheit und im Kampf gegen die Teuerung kümmern, die auch Familien belasten. Im Bereich Familienpolitik braucht es keine neuen Kompetenzdiskussionen, sondern vor allem gemeinsame Harmonisierungen, damit die zentrale Freiheit der Personenfreizügigkeit auch in der Praxis und ohne rechtliche Hürden gelebt werden kann.
Wo sehen Sie familienpolitischen Handlungsbedarf auf EU Ebene?
Wenn es um die Entlastungen von Familien im Alltag geht. Gerade wenn es um diese Harmonisierungen und gegenseitige Anerkennung geht, begrüßen wir Initiativen, die dazu auf europäischer Ebene stattfinden. Die hohe Zahl von Fällen zu beispielsweise Karenz-/ Kinderbetreuungsgeldern bei europäischen Gerichtshöfen zeigt ja, dass es etwa bei den Sozialsicherungssystemen noch Verbesserungsbedarf gibt.
Das Barcelona Ziel – bis 2030 50 Prozent der unter 3jährigen im Kindergarten - ist umstritten. Ist das eine sinnvolle Kennzahl?
Das Ziel ist sinnvoll, wenn der Ausbau des Angebots mit einer Verbesserung der Qualität einhergeht. Kinder, Eltern und die Gesellschaft profitieren vom Kindergarten als erster Bildungsstätte, wenn es in der Krippe/Krabbelstube altersgerechte Gruppengrößen und Betreuungsverhältnisse gibt. Davon sind wir in Österreich noch weit entfernt. Wir treten daher für einen Stufenplan ein, mit dem kleinere Gruppen, mehr Fachpersonal und langfristig ein Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz ab dem 1. Geburtstag erreicht werden sollen. Aufgrund des Personalmangels in der Elementarpädagogik wird das nicht leicht zu erreichen sein, ist aber im Sinne der Kinder, der Familien und der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung sinnvoll.
Der Kindergarten ist ein Beitrag zu mehr Chancengerechtigkeit. Qualitätsvolle elementare Bildung und Betreuung ermöglicht allen Kindern einen guten Start in eine gelingende Bildungslaufbahn - gerade auch jenen, die zuhause weniger förderliche Bedingungen vorfinden. Die Wahlfreiheit der Eltern, ob ihr Kind zuhause, in der Krippe/Krabbelstube oder bei einer Tagesmutter bzw. Tagesvater betreut wird, soll aus unserer Sicht aber jedenfalls erhalten bleiben.
Sind Sie für ein EU-weites Verbot der Leihmutterschaft?
Ein grundsätzliches Verbot ist für uns als liberale Partei schwer vorstellbar. Denn in Bezug auf die Leihmutterschaft gibt es sehr viele offene Fragen, die in den Mitgliedsstaaten auch sehr unterschiedlich beantwortet werden.
Rückläufige Geburtenzahlen sind in ganz Europa evident – mit welchen familienpolitischen Maßnahmen könnte diese demographische Entwicklung positiv beeinflusst werden?
In Österreich wird leider immer wieder darauf verwiesen, dass man nicht mehr machen könne, weil es ohnehin den Familienbonus oder die Familienbeihilfe gebe. Doch natürlich schlagen sich ökonomische Unsicherheiten und hohe Steuerbelastung für Erwerbstätige auf die Entscheidung nieder, wann und ob ein Kinderwunsch Realität wird. Als NEOS fordern wir vehement, dass die jungen Menschen mehr Zukunftsperspektive bekommen. Andere Länder zeigen zudem, dass ein qualitativ ausgebautes Kinderbetreuungssystem und eine höhere Väterbeteiligung positive Auswirkungen auf die Geburtenrate haben, auch daran kann man sich ein Vorbild nehmen. Könnten Eltern im Fall einer neuerlichen Schwangerschaft den Kindergartenplatz behalten und wäre die Familienbeihilfe für jedes Kind gleich hoch, gäbe es wohl auch mehr Anreize, ein zweites Kind zu bekommen.
Günther Hopfgartner,
KPÖ
Würden Sie sich mehr Zuständigkeit der EU in familienpolitischen Fragen wünschen?
Als KPÖ wollen wir die Handlungsräume für demokratische und soziale Politik auf nationalstaatlicher und lokaler Ebene zu verteidigen. Wir treten dafür ein, Europa auf ein neues und demokratisches Fundament zu stellen, das Politik im Interesse derer, die es sich nicht richten können, ermöglicht. Solange das nicht der Fall ist, möchten wir der EU keine weiteren Zuständigkeiten übertragen.
Wo sehen Sie familienpolitischen Handlungsbedarf auf EU Ebene?
Frauen in der EU brauchen bei der Familienplanung einheitliche Rechte. Wir unterstützen daher die europäische Bürgerinitiative „My Voice – My Choice“ für einen sicheren und kostengünstigen Zugang zu Abtreibungen in allen EU-Ländern.
Zentral für Frauengesundheit ist auch der kostenlose Zugang zu Verhütungsmitteln, den es bereits in einigen, aber nicht in allen EU-Staaten gibt. Wir fordern, dass Krankenkassen die Kosten für Verhütungsmittel übernehmen sollen.
Das Barcelona Ziel – bis 2030 50 Prozent der unter 3jährigen im Kindergarten – ist umstritten. Ist das eine sinnvolle Kennzahl?
Wir sprechen uns stark für einen Ausbau der Kinderbetreuung für Kinder unter drei Jahren in ganz Österreich aus. Eine sinnvollere Bemessung läuft für uns aber über das Angebot. Hier sollten sich Österreich das Ziel setzen, dass zwei Drittel aller Kinder unter drei Jahren einen Betreuungsplatz zur Verfügung haben.
Besonders wichtig ist in der Kinderbetreuung die Qualität derselbigen. Deshalb fordern wir auch bessere Löhne für Elementarpädagog:innen, mehr Vorbereitungszeiten und vor allem einen Betreuungsschlüssel von 7:1, um die bestmögliche Betreuung für die Kinder zu gewährleisten.
Der Ausbau der Kinderbetreuung ist für Kinder dringend nötig und vor allem für die wirtschaftliche Unabhängigkeit von Frauen essenziell.
Sind Sie für ein EU-weites Verbot der Leihmutterschaft?
Leihmutterschaft ist ein System, das vielfach wirtschaftliche Notsituationen von Frauen ausnützt. Das System ist unserer Ansicht nach deshalb abzulehnen.
Rückläufige Geburtenzahlen sind in ganz Europa evident – mit welchen familienpolitischen Maßnahmen könnte diese demographische Entwicklung positiv beeinflusst werden?
Kinder müssen mit dem Leben der Frauen vereinbar sein. Solange Frauen durch die Mutterschaft deutliche Einbußen beim Gehalt (siehe Gender Pay Gap) in Kauf nehmen müssen, ist jedes Kind ein großes persönliches Risiko für eine Frau. Dazu muss flächendeckende Kinderbetreuung gewährleistet sein, es attraktive Karenzmodell geben, in denen sich Vater und Mutter um die Kinder kümmern können und es braucht außerdem dringend eine Kindergrundsicherung, da beispielsweise Alleinerzieher:innen in Österreich deutlich häufiger an bzw. unter der Armutsgrenze leben. Auch muss unsere Gesellschaft generell kinderfreundlicher werden, zB durch familienfreundlichere Arbeitszeitmodelle und eine grundsätzliche Arbeitszeitverkürzung für beide Elternteile, damit diese sich Care Arbeit besser aufteilen können.
Maria Hubmer-Mogg
DNA, Demokratisch- neutral - authentisch
Würden Sie sich mehr Zuständigkeit der EU in familienpolitischen Fragen wünschen?
Nein, DNA befürwortet keine zusätzliche Zuständigkeit der EU in familienpolitischen Fragen. Wir sind der Ansicht, dass die Zuständigkeit für Familienpolitik bei den Mitgliedstaaten verbleiben sollte, um die kulturellen und sozialen Besonderheiten jedes Landes zu respektieren und die nationale Souveränität zu wahren.
Wo sehen Sie familienpolitischen Handlungsbedarf auf EU Ebene?
Familienpolitische Maßnahmen sollten vor allem die Mitgliedstaaten selbst verantworten.
Das Barcelona Ziel – bis 2030 50 Prozent der unter 3jährigen im Kindergarten - ist umstritten. Ist das eine sinnvolle Kennzahl?
Wir sehen das Barcelona-Ziel kritisch. Die Entscheidung, ob und wie viele Kinder unter 3 Jahren in Kindergärten betreut werden sollen, sollte den Mitgliedstaaten überlassen bleiben. Eine starre Vorgabe durch die EU könnte den individuellen Bedürfnissen und Traditionen der Länder nicht gerecht werden und die Wahlfreiheit der Eltern einschränken.
Sind Sie für ein EU-weites Verbot der Leihmutterschaft?
Ja, wir befürworten ein EU-weites Verbot der Leihmutterschaft. Leihmutterschaft wirft viele ethische und rechtliche Fragen auf, die mit der Würde und den Rechten von Frauen und Kindern in Konflikt stehen und nicht ausreichend geklärt sind. Medizinische Nachbehandlung der Leihmütter. Ein Verbot auf EU-Ebene würde helfen, diese Praktiken zu unterbinden und den Schutz der Beteiligten zu gewährleisten. Beispiel Ukraine: Leihmutterschaft ist dort gesetzlich erlaubt, die Leihmütter dürfen während des Krieges nicht flüchten.
Rückläufige Geburtenzahlen sind in ganz Europa evident – mit welchen familienpolitischen Maßnahmen könnte diese demographische Entwicklung positiv beeinflusst werden?
Unterstützung junger Familien: Finanzielle Anreize und Unterstützung für junge Familien, um die Entscheidung für Kinder zu erleichtern. Steuererleichterungen.
Vereinbarkeit von Beruf und Familie: Verbesserung der Betreuungsangebote und flexiblere Arbeitszeiten, um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu fördern. Eigenverantwortung und Freiheit der Entscheidung der Familien.
Wohnraumförderung: Maßnahmen zur Schaffung von bezahlbarem Wohnraum für Familien. Langfristige Kredite mit fixem Zinssatz um Planbarkeit zu gewährleisten.
Diese Maßnahmen sollten jedoch von den Mitgliedstaaten entwickelt und umgesetzt werden, um den jeweiligen nationalen und wirtschaftlichen Besonderheiten gerecht zu werden.
Katholischer Familienverband Österreichs
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