Bischofsvikar Pater Karl Schauer OSB
70 Jahre Familienverband der Diözese Eisenstadt
Predigt beim Gottesdienst im Wolfgarten – Gymnasium der Diözese Eisenstadt
Dienstag, 7. Mai 2024 – 15.00 Uhr
Liebe Familien, liebe Kinder, Schülerinnen und Schüler unseres Wolfgarten,
Lieber Katholischer Familienverband Österreichs und in unserer Diözese Eisenstadt mit dem Vorsitzenden, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, auch mit allen, die vor uns Verantwortung getragen haben,
Liebe Verantwortliche der Katholischen Aktion und der Allianz für Familien im Burgenland,
Liebe Verantwortungsträger und Gestalter in Politik in EU, in der Bundes- und Landesregierung, in Gesellschaft und Kirchen,
Liebe Festgäste, Liebe Brüder und Schwestern!
Zuerst herzliche Grüße von unserem Bischof Ägidius, der heute beim Festakt 70 Jahre Katholischer Familienverband in unserer Diözese leider nicht teilnehmen kann, da er zeitgleich das Requiem und das Begräbnis für den plötzlich verstorbenen Msgr. Thomas Krojer hält, ein Dienst der Dankbarkeit für einen unermüdlichen Priester unserer Diözese und für seinen Einsatz in den Pfarren, in den Volksgruppen, vor allem für die Burgenländischen Kroaten. Krojer gehörte sicher zu den großen Pionieren der Versöhnung und des Dialoges. Auch von hier aus dürfen wir an ihn denken und ihm danken.
„Was macht eine Familie zur Familie?“ – Diese Frage stellt unser Bischof im Grußwort zum heutigen Festakt und zum Schwerpunktprogramm in dieser Woche der Familie. Jeder Versuch einer vorschnellen Definition „gleiche einer Bevormundung, oft einer antiquierten oder auch an Erwartungen überzogenen Realität, die das nicht trifft, was unter dem Begriff „Familie“ gemeint sein könnte“, schreibt der Bischof.
Liebe Freunde, sich dieser komplexen Wirklichkeit zu stellen, ist die vorrangige Aufgabe des Katholischen Familienverbandes. Dieser muss weiterhin das aufmerksame Gewissen in Gesellschaft und Politik bleiben, muss kreative Unruhe auch in Zukunft schnüren und darf sich nicht in den Lehnstuhl der Selbstgenügsamkeit und der bisher gesetzten Schritte zurücklehnen und sich mit einer Realität begnügen, die eher in den wohlgeformten Rahmen einer Wohlstandsgesellschaft passt, nach dem Motto: „Gut ist nur, was meinen eigenen Vorstellungen und Wünschen entspricht“.
Wenn junge Menschen und Kinder von Familie reden, sie mit Bildern und Wünschen ausstatten – wie es soeben auch von den Kindern formuliert wurde – darf trotzdem gefragt werden, ob diese jungen Menschen die erlebte oder die ersehnte Familienwirklichkeit benennen.
Auch die Kirche tut sich schwer: Das Bild der sogenannten „heiligen Familie“, den Älteren unter uns bekannt, ist längst vergilbt. Die Mehrgenerationenfamilie mit ihrer Verantwortung füreinander ist heute ein Auslaufmodell. Patchwork, das Leben als Single, kurzfristige Familienaufstellungen, das Vater-Mutter-Kind-Schema, bleibende Verwundungen, die mangelnde Bereitschaft, Verantwortung füreinander zu tragen, oder sogar die Flucht in eine heile Sonderwelt der Familie sind nicht erst Lebenswirklichkeiten von heute.
Und trotzdem müssen wir von der Familie reden, vielleicht ehrlicher, wirklichkeits- und lebensnäher, behutsamer und nicht verletzend, vor allem nicht ideologisch besetzt. Diesen Mut braucht der Katholische Familienverband und alle, die sich für die Familie aufreiben. Auch die Vergangenheit hat dies gezeigt, die Zukunft muss es erst beweisen.
Vieles wurde gemeinsam in unserem Land erreicht:
Die Errichtung eines Familienministeriums, die Kinderfreifahrt bei der ÖBB und der sichere Sitzplatz im Schulbus, die Wiedereinführung der Schul- und Heimfahrtsbeihilfen, das Kinderbetreuungsgeld für alle und die gestaffelten Kinderabsetzbeträge, die pensionsbegründeten Kindererziehung- und Pflegezeiten, die Zweidrittel-Mehrheit bei Schulgesetzen, die Gründung eines europäischen Generationeninstitutes, die Wertanpassung vieler Familienleistungen bis hin zur Anpassung des Kindermehrbetrages und der Möglichkeit der Elternberatung und anderes mehr.
Aber es bleiben Aufgaben, Fragen, Baustellen, bekannte und solche, die auf uns zukommen werden. All das, was uns heute Kopfzerbrechen bereitet, macht vor der Familie nicht halt:
Die zunehmend psychische Belastung der Kinder und jungen Menschen – warum auch immer – , Verschuldungen, krankmachende Abhängigkeiten von Drogen bis zu Influencern mit ihren Schein- und virtuellen Welten, Entwurzelung, Vereinsamung, Individualisierung, die Sorge für die Alten und Pflegebedürftigen, fehlende Verantwortung füreinander und Überforderung, Verdächtigungen, Arbeitslosigkeit, mangelnde Kinderbetreuung. Auch die Schulen werden immer mehr zu Umschlagplätzen und Seismografen gesellschaftspolitischer Herausforderungen, angefangen vom Familienzuzug bis zu den mangelnden Lehrerressourcen.
Trotz aller Errungenschaften nahm die Abgabenlast für Familien in Österreich im Jahr 2023 zu, Kinderarmut ist trotz allen Wohlstands keine Fiktion. Die zunehmende Herausforderung Alleinerziehender und die wachsende Unvereinbarkeit zwischen Berufs- und Familienleben, Teuerung, Inflation, Mangelernährung, Altersarmut werden uns auch morgen noch Kopfzerbrechen bereiten.
Der Vorschlag der Regierung Irlands, „Familie“ mit dem Begriff „dauerhafte Beziehungen“ zu ersetzen und in die Verfassung aufzunehmen, wurde durch Volksabstimmung im März dieses Jahres abgelehnt. Das lässt vermuten, dass das gewachsene Verständnis von Familie in den Menschen tiefer verwurzelt ist, als manche Spezialisten meinen könnten, auch auf Ebene der EU. Die vielleicht „heißen Eisen“: Leihmutterschaft, Kinderlosigkeit, gleichgeschlechtliche Partnerschaften, Altersarmut, assistierter Suizid werden auch in Zukunft nicht die einzigen Diskussionsinhalte sein, wenn es um das Projekt Familie geht.
Viele von uns sind noch mit einem anderen Familienbild, mit einer anderen Familienwirklichkeit aufgewachsen. Längst nicht alles war gut, perfekt, erfüllend, vieles war auch zermürbend, verletzend und demütigend.
Auch heute gleicht die Familie einer offenen Baustelle, nie fertig. Baumeister sind wir alle und es braucht dafür eine Verantwortung des Handanlegens, die größer ist als Kurzlebigkeit und Moden, die, bevor sie umgesetzt werden, bereits veraltet sind.
So ist die Familie nicht nur „Kern“ der Gesellschaft und der Kirche, sondern sie gehört zum Kerngeschäft unseres Tuns und Nachdenkens.
Ich bin überzeugt, vieles ist ohne unsere Familien nicht lebbar, auch die „Hauskirche“ bliebe ohne sie ein fremder Begriff. Ich möchte unsere Familien – trotz allen Gegenwindes – bitten und ermutigen, Familie zu leben! Es ist wahrscheinlich nicht immer einfach, aber lebensstiftend. Die Familien sind ein Segen für unsere Kirche und die Gesellschaft.
Und außerdem: Warum sollte der Gott der Menschen das Gute nicht segnen?
P. Karl Schauer OSB
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Fotos des Festakts sind jetzt auf unserer Homepage in der Bildergalerie verfügbar:
Bericht über die 70-Jahr-Feier des Kath. Familienverbandes Burgenland
Zum Download:
Programmfolder zur Woche der Familie