Familienpolitik seit 2000
Die Familienpolitik dieses Jahrhunderts ist gekennzeichnet von einer gesellschaftspolitischen Weichenstellung und einem Paradigmenwechsel in der Familienpolitik. Die Politik hat erkannt, dass Familien unbezahlbare Leistungen sowohl im Bereich der Kinderbetreuung wie auch im Bereich der Betreuung von pflegebedürftigen Angehörigen erbringen. Familienpolitik heute legt daher auch einen Schwerpunkt auf die Abgeltung der Betreuungsleistungen.
- ØKinderbetreuungsgeld
Mit der Einführung des Kinderbetreuungsgeldes 2002 wird erstmals die Betreuung und Erziehung von Kindern abgegolten. Es ist im Vergleich zum früheren Karenzgeld nicht mehr länger der Erwerb, der den Anspruch auf die Leistung begründet, sondern der Umstand, dass Kinder zu versorgen sind. Anspruch auf das frühere Karenzgeld hatte nur, wer vorher erwerbstätig war. Das Karenzgeld war daher als „Einkommensentfall“ definiert. Das Kinderbetreuungsgeld ist als Betreuungsleistung konzipiert. Anspruch besteht, weil ein Kind geboren wurde und das betreut werden muss.
Das Kinderbetreuungsgeld beträgt in der Langvariante 30 + 6 Monate seit der Einführung 436 Euro pro Monat. Darüber hinaus werden seit 2005 vier Jahre Kindererziehungszeiten pensionsbegründend angerechnet.
- Ø Familienhospizkarenz
2002 wird die Familienhospiz-Karenz eingeführt. Damit können Erwerbstätige, wenn sie ein sterbendes Familienmitglied pflegen oder schwerkranke Kinder betreuen bis zu sechs Monate in Karenz gehen. Geld gibt es dafür keines.
- Ø Kostenlose Selbstversicherung bei Pflege eines behinderten Kindes
Eltern, die nicht erwerbstätig sein können, weil sie ein behindertes Kind pflegen, haben bis zum 40. Lebensjahr des Kindes die Möglichkeit, mittels einer freiwilligen Selbstversicherung Pensionszeiten zu erwerben. Die Beiträge dafür werden vom Familienlastenausgleichsfonds bezahlt.
- Ø Verbesserungen für pflegende Angehörige
Pflege zu Hause wurde unterschiedlich bewertet: Personen, die aufgrund einer Pflegetätigkeit die Erwerbsarbeit aufgegeben haben, konnten sich mittels einer günstigen Selbstversicherung freiwillig für die Pension weiterversichern. Für alle anderen Personen, die auch Angehörige pflegen, aber unmittelbar vorher nicht erwerbstätig waren, bestand diese Möglichkeit nicht.
Seit 2006 ist die günstige Selbstversicherung für alle, die pflegebedürftige Personen betreuen, möglich. Unter gewissen Umständen ist sogar eine beitragsfreie Versicherung möglich, weil die Beiträge vom Bund übernommen werden.
- Ø Recht auf Elternteilzeit
In Betrieben mit mehr als 20 Arbeitnehmer/innen haben Eltern seit 2004 unter bestimmten Voraussetzungen einen Rechtsanspruch auf Elternteilzeit. Sie können, sofern sie das wollen, bis zum 7. Geburtstag des Kindes Teilzeit arbeiten.
7. Reformbedarf und Herausforderungen
● Regelmäßige Valorisierung der Familienleistungen
Im Gegensatz zu den Pensionen oder zu der geplanten bedarfsorientierten Mindestsicherung werden Familienbeihilfe, Kinderbetreuungsgeld, Kinderabsetzbetrag und Pflegegeld jahrelang nicht erhöht und verlieren durch die Teuerung ständig an Wert. Was für Gehälter und Pensionen gilt, die regelmäßige, jährliche Erhöhung, sollte auch für die Familienleistungen gelten.
● Familienfreundliches Steuersystem
Wenn es um staatliche Unterstützungen wie Mindestsicherung, Schülerbeihilfe oder Studienbeihilfe geht, wird stets gefragt, wie viele Personen von einem Einkommen leben müssen. Geht es aber um die Berechnung der Steuer, ist es nahezu irrelevant, wie viel Personen von einem Einkommen leben müssen. Die Frage: Wie viele Personen müssen von einem Einkommen leben, sollte künftig auch bei der Berechnung der Steuer eine größere Rolle spielen.
● Bereich Kinderbetreuung
Die österreichweite Versorgungssituation mit Betreuungseinrichtungen ist – regional bedingt – höchst unterschiedlich. Um die notwendige Qualität gewährleisten zu können, sollte ein bundesweit einheitliches Rahmengesetz für Kinderbetreuungseinrichtungen geschaffen werden. Dieses Rahmengesetz hat regionale Gegebenheiten wie Richtlinien für Öffnungszeiten und Elternbeiträge sowie Qualitätsstandards für Gruppengröße, Personalschlüssel etc. zu berücksichtigen.
● Mut zur Familie, Mut zum Kind vermitteln
Wann und wie kommen die Themen Familie und Kinder in den Medien vor? Sie kommen vor, wenn es um Kindesmissbrauch geht; wenn es um Gewalt in der Familie geht; wenn Familien mehr Geld fordern; wenn Jugendliche kriminell werden; wenn die Kinder zu laut schreien. Dabei sollten in der öffentlichen Diskussion die positiven Aspekte von Familie und Kinder stärker in den Mittelpunkt gestellt werden. Es sollte auch vermittelt werden: Kinder zu haben und mit ihnen zusammen zu sein bedeutet Glück und Freude. Kinder sind eine echte Bereicherung des Lebens und Symbol für Liebe, Geborgenheit, Rücksichtnahme, Offenheit, Toleranz, Kreativität, Lernfähigkeit.
● Vereinbarkeit von Familie und Beruf
Eine unserer großen gesellschafts- und sozialpolitischen Herausforderungen ist das Thema „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“. Familienpolitik darf heute nicht isoliert betrachtet Werden. Es handelt sich um eine Querschnittsmaterie, die in allen politischen Bereichen von höchstem Belang ist. Empfehlenswert wären Familien- und Kinderverträglichkeitsprüfungen, zentrale Schnittstellen zur beruflichen Lebenswelt (z. B. Kinderbetreuung, Schule), zur Umwelt (z.B. Wohnbau, Nahversorgung, Verkehr, Freizeit) müssen überprüft werden. Frauen und Männern muss es ohne gesellschaftliche Schlechterstellung wie z.B. berufliche Nachteile, Armutsrisiko u.ä. möglich sein, Kinder zu bekommen und für sie da sein zu dürfen.